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Historische Kartografie und Heimatforschung

Flurnamen und Flurkarten

in Bearbeitung 03/2025, von Jens Klöckner

Flurnamenforschung mag auf den ersten Blick unscheinbar wirken, doch sie vereint zahlreiche Wissenschaftsgebiete - von der Namenforschung über Kartografie und GIS-Informatik bis hin zur Geschichts- und Kulturwissenschaft. Ich selbst bin ein interessierter Laie, nutze jedoch ähnliche Tools und Quellen wie die akademische Forschung. Dennoch bleiben historische Karten und Flurnamen ein Hobby, das Indoor- und Outdoor-Aktivitäten verbindet.

Flurnamen bieten wertvolle Einblicke in die historische Landnutzung, alte Siedlungsstrukturen und sprachliche Entwicklungen einer Region. Sie werden in Kombination mit moderner Kartensoftware, mobilen GPS-Apps, KI, LIDAR-Scans, digitalen Archiven und historischen Karten genutzt, um die Heimat neu zu entdecken.

Begriffe | Was sind Flurnamen? | Historische Flurkarten | Geschichte, Forschung und Bedeutung | Karten-Quellen | Software / KI | Links / Quellen |

Liegenschaftskataster Flurstueck
Flurstückssuche: Angaben aus dem Liegenschaftskataster

Wichtige Begriffe im Flur- und Katasterwesen

Begriffe im Liegenschaftskataster werden häufig verwechselt. Hier eine Übersicht der wichtigsten, um sie auch eindeutig von den Flurnamen abzugrenzen.

Kataster

Das Liegenschaftskataster ist ein öffentliches Verzeichnis, das von der Vermessungs- und Katasterbehörde geführt wird. Es dient dem Nachweis, der Erfassung und der Beschreibung von Flurstücken und Gebäuden, einschließlich ihrer Lage, Nutzung und Grenzen.

Gemarkung

Die Gemarkung ist die größte Ordnungseinheit des Liegenschaftskatasters. Sie umfasst ein katasterrechtlich abgegrenztes Gebiet, das meist einer Gemeinde oder einem Ortsteil entspricht. Besteht keine Unterteilung in Fluren, wird oft die Flurnummer 0 als Platzhalter genutzt.

Flur

Die Flur ist eine Untereinheit der Gemarkung und umfasst die kleinsten Buchungseinheiten des Liegenschaftskatasters, die Flurstücke.

Flurstück

Ein Flurstück ist eine eindeutig abgegrenzte Teilfläche der Erdoberfläche mit eigener Flurstücksnummer im Liegenschaftskataster, die im ALKIS registriert ist.

Lagebezeichnung

In der Pfalz und teilweise in anderen Regionen Süddeutschlands entspricht die Lagebezeichnung oft dem amtlichen Flurnamen.

Gewanne

Gewanne sind traditionelle, nicht amtliche landwirtschaftliche Flächeneinteilungen, die zur Orientierung dienen und oft mehrere Flurstücke umfassen. Während historische Flurnamen auch Landschaften oder Regionen bezeichnen können, ist ein Gewannename speziell auf landwirtschaftliche Flächen wie Äcker oder Wiesen beschränkt. Oft werden Gewannename und Flurname synonym verwendet.

historische Flurkarte
Flurkarte mit Flurnamen, Gemarkung Sankt Mang, Stadt Kempten, Bayrische Uraufnahme Quelle/Lizenz [3]

Was sind Flurnamen?

Flurnamen bezeichnen kleinräumige Landschaftsteile wie Berge, Täler, Wege, Wälder, Wiesen, Felder, Bäche, Hügel, Moore und Auen und dienen der Orientierung. Sie können auch historische Stätten oder Siedlungen umfassen - etwa 'Burgberg' - und geben häufig Hinweise auf geografische Besonderheiten oder historische Ereignisse in der Region.
In Deutschland sind Flurnamen in den Flurkarten der Katasterämter verzeichnet bzw. als Lagebezeichnungen auf aktuellen Liegenschaftskarten eingetragen.
Die heutigen Flurnamen und amtlichen Lagebezeichnungen weichen oft von den ursprünglich mündlich überlieferten oder dialektalen Formen ab. Dabei ging teilweise die ursprüngliche Bedeutung verloren, insbesondere bei der Übertragung von Dialekten ins Hochdeutsche.

Beispiele (amtliche Namen)

Während Flurnamen wie 'Distelwiesen' eine klare Bedeutung haben, können andere, wie 'Rummel', je nach Region und historischer Nutzung unterschiedlich gedeutet werden.

Auf dem Haferfeld
Buchenkopf
Distelwiesen
Kirchberg
Anhöhe mit einer Kirche oder historischer kirchlicher Bedeutung.
Oben am Heidenkopf
Anhöhe (Kopf), die entweder unbewirtschaftetes Land (Heiden) oder eine vorchristliche Kultstätte bezeichnet.
Auf dem Rummel
Rummel kann entweder eine gerodete Fläche oder einen historischen Festplatz bezeichnen.
Tiefer Morgen
Tief gelegene Ackerfläche (‚Morgen‘), die so groß war, dass sie an einem Morgen gepflügt werden konnte.
Franzosenkopf
Die Belagerung des benachbarten Schlosses Karlsberg durch französische Revolutionstruppen könnte namensgebend für eine strategische Anhöhe gewesen sein.

Brouillonkarte von der Feldmark Bisdorf
Brouillonkarte von der Feldmark Bisdorf, Kreis Kalbe, vermessen und kartiert im Jahr 1847, Quelle/Lizenz [4]

Historische Flurkarten

Um an alte Flurnamen zu gelangen ist oft eine tiefe Recherche auf historischen Flurkarten notwendig.

Brouillonkarte

Die Brouillonkarte (frz. brouillon = Entwurf, Skizze) war eine vorläufige, handgezeichnete Vermessungskarte des 19. Jahrhunderts, die als Grundlage für die präzisere Reinkarte diente. Sie wurde von Feldmessern direkt vor Ort erstellt und enthielt erste Eintragungen zu Fluren, Parzellen und Grenzen sowie Angaben zu Flurnamen, Grundstücksgrößen und Eigentumsverhältnissen. Da sie oft grob und weniger exakt gezeichnet war, wurde später die Reinkarte als detailliert ausgearbeitete Version angefertigt.

Reinkarte

Die erste Reinkarte war eine überarbeitete und präzise Version der Brouillonkarte und bildete die Grundlage für das Liegenschaftskataster sowie das Grundbuch. Sie zeigte exaktere Flurstücksgrenzen und wurde im 19. Jahrhundert im Rahmen von Steuer- und Katasterreformen eingeführt. Die ersten systematischen Reinkarten entstanden unter Napoleon, beispielsweise im bayerischen Urkataster ab 1808 oder im Preußischen Urkataster ab den 1820er Jahren. Heute sind diese Karten wertvolle historische Dokumente, da sie alte Flurnamen und Eigentumsverhältnisse festhalten.

Bayerische Uraufnahme

Im Jahr 1808 gründete König Max I. Joseph die Bayerische Steuervermessungskommission - den Vorläufer des späteren Landesvermessungsamts - und ordnete die systematische sowie präzise Vermessung aller Grundstücke in Bayern an. Ziel war es, eine einheitliche und gerechte Besteuerung des Grundbesitzes zu ermöglichen. Bis dahin wurde die Grundsteuer, die die wichtigste Einnahmequelle des jungen Königreichs darstellte, nach 114 unterschiedlichen Steuersystemen berechnet. Die kartografischen Ergebnisse dieser ersten Vermessung, die zwischen 1808 und 1864 durchgeführt wurde, wurden in den bayerischen Flurkarten (Katasterkarten) festgehalten.

Die Kataster-Uraufnahmeblätter der Pfalz wurden zwischen 1820 und 1848 erstellt, nachdem das Gebiet 1816 an Bayern gefallen war und in die bayerische Uraufnahme integriert wurde.

Ein vergleichbares System zur Bayerischen Uraufnahme in anderen Regionen ist beispielsweise die Preußische Uraufnahme. Flur- und Katasterkarten sollten nicht mit topografischen Karten verwechselt werden, auch wenn beide Flurnamen enthalten können.

Flurnamen der Pfalz
Die Flurnamen der Pfalz und ihre geschichtliche Bedeutung / von F. Ohlenschlager, Quelle/Lizenz [2]

Geschichte, Forschung und Bedeutung alter Flurnamen

Schon 1859 hatte Ernst Förstemann mit seinem Werk 'Altdeutsches Namenbuch' eine systematische Erfassung von Namen, darunter auch Ortsnamen, vorgenommen. Ein bedeutender Beitrag speziell zur Flurnamenforschung folgte 1893 mit Friedrich Ohlenschlägers 'Die Flurnamen der Pfalz und ihre geschichtliche Bedeutung'. Das Buch beginnt mit folgenden bezeichnenden Worten:

"Wie in den Städten die Straßen und Plätze mit bedeutsamen Namen belegt werden, um sie kurz und treffend zu bezeichnen, so belegt auch der Volksmund die einzelnen Abteilungen von Feld, Wald und Wasser mit eigenen Namen, die unverändert oder mit geringen Veränderungen von Geschlecht zu Geschlecht überliefert oft in sehr frühe Zeiten zurückreichen."

In heutiger Zeit beschäftigen sich viele Historiker - sowohl professionell als auch im Rahmen der Heimatforschung als Hobby - mit diesem spannenden Thema. Die Flurnamenforschung findet in verschiedenen Bereichen Anwendung, darunter die historische Geografie, Archäologie, Denkmalpflege, Sprachwissenschaft sowie in der modernen GIS-gestützten Kartografie und Umweltforschung. Sie trägt zur Rekonstruktion alter Siedlungsstrukturen und Verkehrswege bei, hilft bei der Deutung historischer Landnutzung und ermöglicht die Identifizierung ehemals versumpfter oder bewaldeter Gebiete, die heute landwirtschaftlich genutzt werden.

Erwähnenswert ist, dass das Hessische Institut für Landesgeschichte (HIL) ein Flurnamenarchiv für das Gebiet der ehemaligen preußischen Provinz Hessen-Nassau führt. In diesem Archiv lassen sich mündliche und amtliche Namensformen anhand historischer Originalblätter vergleichen (https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/browse/sn/fln).

 WMS-Layer Flurstück und Lagebezeichnungen
WMS-Layer Flurstück und Lagebezeichnungen aus dem aktuellen amtlichen Liegenschaftskataster, Quelle/Lizenz [1]

Karten-Quellen

Aktuelle Karten mit Flurnamen

Das Liegenschaftskataster Rheinland-Pfalz enthält strukturierte Daten zu Flurstücken und deren Nutzung. Dazu gehört auch der Layer Lagebezeichnung, der überlieferte Flurnamen in ihrer aktuellen amtlichen Version umfasst.

Das GeoPortal RP stellt diese Daten als WMS für die Anzeige in Karten- und GIS-Software sowie als Web-Viewer zur Verfügung.

Historische Karten mit Flurnamen

Die Recherche zu echten historischen Flurkarten (also nicht erst ab 2000 entstandenen) ist oft aufwendiger. Im Gegensatz zu topografischen Karten aus dem 19. Jahrhundert, die teilweise ebenfalls Flurnamen enthalten, sind meist keine vollständigen Kartensätze verfügbar. Das bedeutet, dass Karten gezielt angefordert, gekauft oder in digitalen Archiven recherchiert werden müssen.

Digitale Archive wie bavarikon.de stellen einzelne Kartenblätter zur Ansicht oder zum Download bereit. Frei zugängliche Web-Viewer wie atlas.bayern.de ermöglichen die Einsicht in die Uraufnahme (1808-1864), jedoch nur für das heutige Bayern - ohne die damals zu Bayern gehörenden pfälzischen Gebiete.

Historische Flurkarten sollten nicht mit topografischen Karten verwechselt werden. Letztere enthalten zwar teilweise alte Flurnamen, sind jedoch weniger detailliert und zeigen keine einzelnen Flurstücke.

QGIS: WMS-Layer Flurstück, Lagebezeichnungen, hist. Topo
QGIS: WMS-Layer Flurstück und Lagebezeichnungen Quelle/Lizenz [1] über Topo der pfälzischen Gebiete des ehem. Königreiches Bayern Quelle/Lizenz [5]

Karten-/GIS-Software und GPS-Apps

Bei der Kartensoftware kommen die gleichen Tools zum Einsatz wie bei historischen Karten im Allgemeinen, d. h. Rasterkarten (z. B. GeoTIFF) sowie WMS-Layer sollten sowohl von der PC-Software als auch von der mobilen App unterstützt werden. Die üblichen Verdächtigen, QGIS und Locus Map, wurden hier schon öfter angesprochen.

KI Dienste

Transkribus.ai ist eine Web-Plattform zur automatisierten Handschriftenerkennung (HTR) und Texterkennung (OCR) bzw. Digitalisierung gedruckter Texte. Sie wird primär in der Archivwissenschaft, Geschichtsforschung und von Bibliotheken genutzt, um historische und handschriftliche Dokumente digital lesbar und durchsuchbar zu machen. Du kannst einen Scan, ein Foto oder eine bereits digitalisierte Buchvorlage hochladen, und die KI wandelt sie in Text um. Oft ist es hilfreich, den erkannten Text von einem KI-gestützten Chatbot wie ChatGPT oder DeepSeek auf Fehler prüfen und korrigieren zu lassen. Besonders bei handgeschriebener deutscher Kurrentschrift stößt die KI jedoch an ihre Grenzen - erst recht, wenn Dialekte ins Spiel kommen.

ChatGPT kann die aufwändige Recherche zu bestimmten Flurnamen-Begriffen teilweise ersetzen. Die KI ersetzt jedoch weder einen Historiker noch etymologisches Fachwissen, und die Ergebnisse sollten stets überprüft werden. Gerade bei der Ideenfindung, was ein Flurname (auch regional) bedeuten könnte, erweist sich der Chatbot jedoch als sehr hilfreich.

Perplexity.ai ist eine KI-gestützte Suchmaschine, die sich besonders für die Literaturrecherche eignet. Sie kombiniert Echtzeit-Websuche mit KI-gestützter Textgenerierung und liefert präzise Antworten mit Quellenangaben.

ChatPDF ist ein KI-Tool, das es ermöglicht, PDF-Dokumente zu analysieren, zusammenzufassen und Fragen dazu zu stellen. Dazu muss das Buch allerdings als Text und nicht als gescannte Version vorliegen. Die 1:1-OCR-Umwandlung von gescannten Büchern in echten Text ist übrigens – vor allem bei historischen Werken – sehr fehleranfällig (z. B. mit Tesseract OCR).

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